Bindungssucht und Bindungsangst sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Tendenz zu beiden Fehlentwicklungen tragen Männer und Frauen in sich. Den vermeidenden Pol leben Männer jedoch nach wie vor offensichtlicher und gesellschaftlich sanktionierter aus. Dafür ist neben biologische Erklärungen („Männer wollen ihre Samen verstreuen“), psychologischen Überlegungen („Männer kommunizieren anders“) und psychoanalytischen Interpretationen (Angst vor der weiblichen Macht bzw. dem bestrafenden Liebesentzug durch die Mutter/Frau) die soziologische nicht von der Hand zu weisen.
Bisher war die Prüfung des Partners auf Heiratsfähigkeit durch Familie und Gesellschaft gesichert gewesen. So schmerzhaft es sein mochte, den nicht standesgemäßen Liebsten zurückweisen zu müssen, so sehr gewährleistete es doch Absicherung und Versorgung insbesondere der ökonomisch bedürftigeren Partner, der Frauen. Diese müssen sich nun auf einem, wie Eva Illouz 2011 in „Warum Liebe weh tut“ schreibt, „deregulierten Heiratsmarkt“ mit hoher Mobilität fortwährend behaupten. Somit ist der Keim der Polarisierung von Bindung und Autonomie, welche die Verstrickung bei Frauen und Männern anheizt, auch durch die gesellschaftlichen Bedingungen verursacht. Obwohl unverheiratete Männer zu zwei Dritteln die Ehe als attraktivere Lebensform sehen als das Junggesellendasein (Frauen nur ein Drittel), haben sie weniger Zeitdruck bei der Partnerwahl. Da Frauen den Kinderwunsch deutlicher wahrnehmen als Männer, wird in der Regel die Freude an der freien Wahl kürzer andauern und weniger entspannt sein. Dieses Ungleichgewicht wird zunehmend verschärft, weil sich durch Ausbildung und Beruf die Schwangerschaften nach hinten verschieben, das Zeitfenster, in dem sich der Kinderwunsch erfüllen kann, also kleiner wird. Aufgrund des steigenden Bildungsstatus von Frauen stehen ihnen außerdem subjektiv weniger „passende“, sprich höhergestellte männliche Partner zur Verfügung. Die moderne Eva sucht nach wie vor den besten aller Ehemänner. Was früher die Eltern gewährleisten sollten, wird nun, subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll, von ihr selbst erwartet. Sie soll sich, mit dem nötigen Aufwand, in den passenden Kreisen bewegen, um ebenbürtig, besser noch „nach oben“ zu heiraten, und das früh genug für die Gründung einer Familie.
Durch diese Entwicklungen ist es Männern leichter möglich, die „Bedingungen sexuellen Tausches“ zu diktieren. Das macht sie nicht so glücklich, wie man auf den ersten Blick vermuten sollte. Junge Männer erleben tendenziell allzu bindungswillige Frauen als uninteressant, weil sie, so Illouz, „leicht manipulierbar und keine Siegestrophäe über andere Männer“ sind. Auf einem Markt, in dem ein Angebot an Nähe, das größer ist als die Nachfrage nach ihr, von vornherein ein Ungleichgewicht erzeugt, versuchen Männer automatisch, sich zu distanzieren. Frauen haben zwar immer noch die Möglichkeit, ihren Partner durch entsprechende Förderung in den ihnen angemessenen Top-Mann-Bereich nach oben zu hieven, angesichts der sie umgebenden Realität ist ihnen die Mühsal solcher Bestrebungen aber sehr wohl bewusst. Auch für die Männer ist diese Aussicht nicht allzu verlockend – also schlagen sie sich, selbst wenn sie verliebt sind, mit permanenten Fluchttendenzen herum.
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