Der Hochzeitsfilm von Navid und Mabia (Namen geändert) ist etwas langatmig, aber rührend. Bei der rumpelnden Tagesfahrt durch die Berglandschaft von Afghanistan mit Kunstblumengeschmückten Autos wird jeder Zwischenstopp dokumentiert. Es war ein windiger Tag, lachend halten sich die Frauen die flatternden Kopftücher, und bleiben der Kamera fern.
Die Männer sind offen im Blick, stolz, besonders die Alten. Die Jungen sind lässiger, westlich gekleidet, kumpelhaft. Es ist eine große Familie, die sich im Dorf versammelt hat – der Durchschnitt von etwa fünf Kindern pro Familie ist hier dokumentiert. Die Häuser sind einfach, aber einladend. Nicht weit vom Wohnhaus entfernt liegt die Schule, wo Navid Schüler bis zur Matura unterrichtet hat. Bis er angezeigt wurde, wegen zu westlicher Ansichten. Navid war damals schon ein Freund der Demokratie, und in seinem jugendlichen Eifer als Lehrer offenbar nicht zurückhaltend genug. Er wurde bedroht und überwacht. Navid war die Auseinandersetzung mit dem Sterben vertraut; das Land ist mit Landminen verseucht, Bombenanschlläge sind an der Tagesordnung. Die unmittelbare lebensbedrohliche geistige Geiselhaft veranlasste ihn letztlich, auch auf Drängen seiner Familie, das Land zu verlassen. Er nahm wehmütig Abschied von seiner jungen Frau Mabia, die er zwei Jahre nicht sehen wird, und von seiner Familie - von den meisten ein Abschied für immer.
Mabia ist nun endlich auch in der kleinen Wohnung in Wien angekommen, seit acht Monaten sind die beiden wieder vereint. Die sehr zarte junge Frau erwartet ein Baby, die Nachricht ist ganz frisch und wir feiern gemeinsam. Zwischendurch telefoniert sie mit der Schwester in Kabul; diese macht sich Sorgen und berät Mabia, die derzeit fast kein Essen verträgt. Die türkischen Nachbarn klopfen kurz an und liefern die Nachspeise – Navids Kochkünste enden im Moment noch beim Hauptgericht.
Er spricht schon recht gut deutsch, er übersetzt für Mabia, die, auf den Asylbescheid wartend, noch kaum Gelegenheit hatte, die für sie sehr schwere Sprache zu lernen. Wir Frauen verständigen uns mit Blicken und Gesten, versuchen ein Gefühl füreinander zu bekommen, und bauen eine seltsame Verbindung auf – wortlos, still, tastend.
Navid ist auf Arbeitssuche, in seinem Ursprungsberuf als Mathematiklehrer hat er (noch) keine Chance, aber auch sonst sind die Aussichten nicht rosig. Netzwerken ist schwierig, er kommt wenig mit Österreichern in Kontakt, aber diese zeigten sich überwiegend freundlich und hilfsbereit. Navid tut sich allerdings, wie wir merken, mit dem Annehmen von Hilfe noch schwer, er schenkt lieber als er nimmt. Wir müssen sehr vorsichtig sein mit entsprechenden Angeboten; vielleicht bietet das Baby eine Gelegenheit, uns die in seiner Heimat so selbstverständlich gelebte Gastfreundschaft zuzutrauen und zuzumuten. Im Moment ist er dankbar für die Gelegenheit, Deutsch zu sprechen und etwas mehr Hintergrundwissen über seine neue Heimat zu bekommen.
Die größte Sorge gilt derzeit dem kleinen Baby. Mabia kommt derzeit kaum ins Freie, geschweige denn an wirklich frische Luft. Längere Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln sind wegen der Übelkeit derzeit fast nicht möglich. Sie hoffen auf Besserung in ein paar Wochen. Bis dahin kommen die ersten Frühlingsblüten, wie schön für uns, diese Erfahrung mit der jungen Familie teilen zu können. Bei der Taufe wird bestimmt jemand filmen – und so wie es aussieht, haben wir die Ehre, Teil der Akteure zu sein. Diesmal werden auch Frauen in die Kamera lächeln.
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